Am 12. November 2023 wäre Bernhard-Viktor von Bülow alias Loriot 100 Jahre alt geworden. Am 6. November 1985 nahm Loriot im Kasseler Rathaus den erstmals vergebenen Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor entgegen. Mit dem Jahrhunderthumoristen also nahmen der Preis und die Stiftung ihren Anfang. Seither wird der Preis jährlich verliehen – das nächste Mal, am 9. März 2024, an den Schriftsteller und Schauspieler Joachim Meyerhoff. Und ohne Loriot und den Preis gäbe es heute auch nicht das Kasseler Komik-Kolloquium oder die Kasseler Humorforschung und ihre Schriftenreihe Kulturen des Komischen . Dankbar schauen wir auf das Leben dieses großen Sprachkünstlers und erinnern, was der ebenfalls legendäre Philosoph Odo Marquard (1928–2015) damals in seiner Laudatio „Loriot lauréat“ über den Preisträger und seinen grotesken Humor mitteilte:
„Gerade wir modernen Menschen – hochindividuell und eigennäsig – sind und bleiben stets, mehr (und anders) als uns lieb ist, einer wie der andere, also gleich: Denn wir haben alle Knollennasen. Aber wir können das zugleich – lachend – akzeptieren, denn erst die Knollennasen machen uns menschlich. Die Spezies des heutigen Menschen heißt, biologisch korrekt, homo sapiens sapiens. Dieses „sapiens“, offiziell „weise“, kommt vom lateinischen sapere: schnüffelndes Schmecken, also Gaumen und – großzügig übersetzt – Nase haben. […] Und es ist so sehr menschlich, daß selbst noch im Wahlspruch der Aufklärung „sapere aude!“ implizit auch dieses steckt: mehr Knollennase wagen! D.h. mehr auf die menschliche Endlichkeit achten. Denn die Knollennase ist das Resultat menschlicher Hinfälligkeit und ist – gerade in der modernen Welt der scheinbaren menschlichen Souveränitäten – ein Attribut menschlicher Endlichkeit.
So ist Loriots „heile Welt“ eine Welt mit doppeltem Boden und mit Falltür; doch wenn sie sich öffnet, stürzt man nicht in Bodenlose, sondern gerade ins Menschliche. Darüber zu lachen: Das ist grotesker Humor à la Loriot.“