Thomas Kapielski wurde 1951 in Berlin geboren und ist dort wohnhaft. Der Mehrspartenkünstler schreibt, zeichnet und kritzelt, malt Ölschinken, fotografiert, filmt und musiziert (unter anderem beim Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester). An der Kunsthochschule Braunschweig lehrte er sechs Jahre lang bis 2004 als Professor für Performance und wurde von dieser Einrichtung dann zwei Jahre später für tot erklärt. Seit 1976 erscheint sein außergewöhnliches Prosawerk. Darin finden sich Romane (Aqua Botulus, 1992) und Gottesbeweise (in zwei Bänden 1998/99) ebenso wie Kunstkritik (Anblasen. Texte zur Kunst, 2006) und Traktate zu Raum (Ortskunde, 2009) und Zeit (Zeitbehälter. Kleine Festkunde, 2009), alles in allem ein singulärer Mischwald (2009), der sich als resistent gegen jede Einordnung in gängige Katgeorien erweist.
Kapielski über Kapielski:
„Alle glauben, ich würde jeden Morgen an den Schreibtisch preschen und losschreiben. Dabei leide ich ungeheuer an Langeweile. Ich sitze gleichgültig rum, lese Zeitung und trinke taoistisch Bier, um die ewigen Zeitdehnungen zu kurieren. Diese dumpfen Phasen zeitigen aber reiche Erkenntnis. Im Hirn scheinen sich Sedimentierungen zu bilden, die dann meine Schreibphasen nähren … Natürlich träume ich gelegentlich davon, im pelzverbrämten Bademantel mit Goldtroddeln die Schweinslederbände meiner Werkausgabe zu betrachten. Aber ich will gar keinen Erfolg. Mir genügt Ruhm.“
Begründung des Stiftungsrates
„Der Preis ehrt einen Virtuosen der Kunst- und Lebensbricolage, einen gelehrten Sprachflaneur und Großmeister der Performance. Aus seinem poetisch dichten und vielstimmigen ‚Gesamtluftwerk‘ weht eine frische und anarchische Komik, lustvoll und unverwechselbar, geschult an einer großen deutschsprachigen Tradition von Lichtenberg bis Rühmkorf. Kapielskis Prosa mischt funkelnde Aphorismen mit bösen Kalauern, Prunkdiktion mit Alltagssound, erhabenen Unsinn mit rhetorisch ausgekochter Systemkritik. Höchst vergnüglich verteidigt er so Intellekt, Phantasie und Leidenschaftlichkeit gegen den allgemeinen Andrang von Verflachung und Überdruss.“
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Aqua Botulus. Berlin: Maas 1992.
- Davor kommt noch. Gottesbeweise IX – XIII. Berlin: Merve 1998.
- Danach war schon. Gottesbeweise I – VIII. Berlin: Merve 1999.
- Anblasen. Texte zur Kunst. Hrsg. von Aldo Frei als Beilage zum Gesamtluftwerk in der Edition Marlene Frei, Zürich 2006. Berlin: Merve 2006.
- Ortskunde. Eine kleine Geosophie. Basel/Weil am Rhein: Engeler 2009.
- Zeitbehälter. Kleine Festordnung. Berlin: Merve 2009.
- Mischwald. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2009.
- Je dickens, destojewski! Ein Volumenroman. Berlin: Suhrkamp 2014.
- Leuchten. A- und So-phorismen. Berlin: Suhrkamp 2016.
- Kompost III. Dresden: Tumult 2015.
- Kotmörtel. Roman eines Schwadronörs. Berlin: Suhrkamp 2020.